In den letzten Jahren – eigentlich Jahrzehnten – habe ich mich intensiv mit dem Thema Ordnung beschäftigt. Nicht, weil ich es besonders liebe, aufzuräumen, sondern weil ich immer wieder erlebt habe, wie sehr fehlende Struktur Kreativität und Effizienz bremst. In Kellern, Werkstätten, Küchen oder Büros zeigt sich überall dasselbe Muster: viel Zeug, wenig System.
Viele Menschen, die ich kenne – mich eingeschlossen – besitzen einfach viele Dinge. Werkzeuge, Materialien, Ersatzteile, Bastelbedarf, Zubehör für Hobbys oder Projekte. Das ist völlig normal, wenn man selbst gern anpackt. Doch genau das führt oft zu einem Problem: Chaos.
Man scherzt dann gern: „Der Dumme schafft sich Ordnung, das Genie beherrscht das Chaos.“ In Wahrheit ist das aber für alle Beteiligten frustrierend – weil man ständig sucht, Dinge doppelt kauft oder schlicht den Überblick verliert.
Das andere Extrem kenne ich genauso gut: Wohnungen, die aussehen wie aus einem Möbelhaus-Prospekt. Minimalistisch, perfekt gestylt, aber ohne Leben. Auch das ist nicht praktikabel. Ordnung darf funktional und lebendig sein – kein Selbstzweck.
Ziel und Abgrenzung
Das Ziel dieses Artikels ist es, dir zu helfen, deiner Kreativität ungehindert folgen zu können – ohne dich in dem Moment fragen zu müssen: Wo war noch gleich XY?
Ordnung ist kein Selbstzweck. Sie soll ermöglichen, sofort loszulegen, weil alles da ist, wo du es brauchst. Dadurch entsteht Raum für das Wesentliche – das Tun selbst.
Ein schöner Nebeneffekt: Du sparst Zeit – beim Arbeiten, Einkaufen, Einordnen und Ablegen. Diese kleinen Effekte summieren sich im Laufe der Jahre zu einem erheblichen Vorteil.
Viele Menschen entwickeln ihre Ordnung über Lebensphasen hinweg intuitiv. Oft übernehmen wir Muster aus dem Elternhaus oder entwickeln eigene. Spätestens im mittleren Lebensabschnitt stabilisieren sich diese Strukturen. Junge Erwachsene müssen sie dagegen meist erst mühsam aufbauen.
Dieser Artikel dient als Abkürzung – ein Shortcut für alle, die ihr System verbessern oder neu aufbauen wollen.
Je früher du beginnst, desto größer der Nutzen. Wer jung ist oder bisher keine festen Strukturen entwickelt hat, profitiert am meisten. Wer schon ein funktionierendes System besitzt, findet hier vielleicht neue Perspektiven, um bestehende Strukturen bewusster zu gestalten.
Ich möchte dir ein System zeigen – oder besser gesagt ein Denkmuster, wie du Ordnung so aufbaust, dass sie bleibt.
Grundprinzipien
1. Zugriffsgeschwindigkeit
Ein zentrales Prinzip guter Ordnung ist die Zugriffsgeschwindigkeit – also, wie schnell du an etwas herankommst oder es wieder ablegen kannst. Sie bestimmt, wo ein Gegenstand seinen Platz haben sollte, wie angenehm die Nutzung ist und wie sehr dich dein System im Alltag unterstützt.
Jeder Gegenstand hat eine „ideale Geschwindigkeit“, mit der du ihn erreichen solltest – abhängig davon, wie häufig du ihn nutzt und wie wichtig er für eine bestimmte Tätigkeit ist.
| Zugriffsgeschwindigkeit | Beschreibung | Beispiele |
| Sehr schnell (1–5 s) | Dinge, die ständig im Einsatz sind | Maus, Stift, Pfannenwender |
| Schnell (10–30 s) | Häufig genutzte Gegenstände | Ladegeräte, Notizbücher, Kochutensilien |
| Mittel (30–60 s) | Regelmäßig gebraucht | Werkzeugkasten, Dokumente im Schrank |
| Langsam (1–3 min) | Selten genutzt | Saisonale Kleidung, Deko, Spezialwerkzeuge |
| Sehr langsam (> 3 min) | Fast nie gebraucht | Erinnerungsstücke, Ersatzteile, Umzugsmaterial |
Die Zugriffsgeschwindigkeit ist immer relativ zum Ort und zur Tätigkeit zu verstehen. Was in der Küche „schnell“ ist (Pfannenwender, Salzstreuer), ist im Büro völlig anders (Maus, Notizblock). Jedes Umfeld hat also seine eigene Definition von „schnell“ oder „langsam“. Du kannst das Prinzip nutzen, um bewusst zu entscheiden, was wo liegen darf.
Das führt zu einem wichtigen Effekt: Die wertvollsten Plätze – wie Arbeitsflächen, obere Schubladen oder offene Regale – sind begrenzt und sollten nur für Gegenstände reserviert werden, die du wirklich regelmäßig nutzt. Alles andere gehört in langsamere Zonen.
Ergänzend spielen der Nutzungskontext und die Lageranforderungen eine Rolle: Staubschutz, Sicherheit oder Zugänglichkeit (z. B. Kindersicherung, Feuchtigkeit). Ein Gegenstand kann also einen „idealen“ Platz haben, der sowohl von seiner Zugriffsgeschwindigkeit als auch seinen Umgebungsanforderungen abhängt.
2. Gruppierung
Der zweite Baustein guter Ordnung ist die sinnvolle Gruppierung. Dinge gehören nicht zusammen, weil sie gleich aussehen oder aus demselben Material bestehen, sondern weil sie im Alltag gemeinsam verwendet werden.
Aktivitätsorientierte Gruppen
Viele Menschen sortieren zunächst nach Kategorien – Schrauben bei Schrauben, Pinsel bei Pinseln, Kabel bei Kabeln. Doch das führt oft dazu, dass du bei einer konkreten Aufgabe mehrere Orte ansteuern musst – und oft ist dann gar nicht klar, an welchem Ort sich der gesuchte Gegenstand tatsächlich befindet. Viel effizienter ist das aktivitätsorientierte Denken.
Beispiel:
- Box Backen & Kochen → Silikonpinsel, Teigschaber, Messbecher
- Box Streichen & Lackieren → Malpinsel, Rollen, Abdeckband
- Box Bauen & Renovieren → Tapezierpinsel, Spachtel, Cutter
So entsteht eine Struktur, die dich beim Tun, aber auch beim Aufräumen unterstützt. Du greifst nach einer Box – und hast alles beisammen, was du brauchst.
Diese Logik lässt sich hierarchisch denken:
- Ebene 1: Grobe Kategorie (Haushalt, Werkstatt, Büro)
- Ebene 2: Aktivität (z. B. Streichen, Basteln)
- Ebene 3: Unteraktivität (z. B. Lasieren, Modellieren)

Das Ergebnis ist ein System, das intuitiv funktioniert. Es orientiert sich an deinem Verhalten, nicht an der Ästhetik oder an der Materiallogik.
Geordnetes Chaos
Ordnung bedeutet nicht, dass alles immer perfekt aufgeräumt ist. Du brauchst bewusst Zonen für temporäres Chaos – Orte, an denen Dinge landen dürfen, wenn keine Zeit ist, sie sofort wegzuräumen.
- Drop-Boxen: Kleine Behälter an strategischen Stellen (z. B. am Kellerabgang oder an einem zentralen Platz in einem großen Regal), in denen du spontan Dinge ablegst, die später (gesammelt) einsortiert werden.
- Sammelstellen für Papierkram: Für Briefe, Notizen oder Dokumente, die du gesammelt noch bearbeiten oder sauber ablegen musst.
- Quarantäne-Boxen: Für Dinge, bei denen du unsicher bist, ob du sie noch brauchst und ihnen ein „Ablaufdatum“ gibst. Nach ein paar Monaten entscheidest du: behalten oder loslassen.
Diese Struktur verhindert, dass Unordnung sich unkontrolliert ausbreitet – sie hält sie im Rahmen und gibt ihr einen festen Platz.
3. Einheitlichkeit
Ein weiteres Prinzip, das oft unterschätzt wird, ist Einheitlichkeit. Wenn ein System klar und wiederkehrend aufgebaut ist, fällt es dir leichter, es zu pflegen – weil du mehr Routinen und Gewohnheiten aufbaust.
- Einheitliche Behälter: Gleiche Größen oder Raster sorgen dafür, dass du schnell nachoptimierne kannst, Schubladen effizient genutzt werden und du sofort erkennst, was wohin gehört.
- Konsistente Beschriftungen: Gleiche Schriftgrößen, Farben und Positionen machen es dir leichter, Inhalte mit einem Blick zu erfassen.
- Visuelle Sprache: Wenn du Farbcodes nutzt, halte sie konsistent – etwa Blau für Elektronik, Grün für Garten, Grau für Werkstatt.
Auch Bewegungsroutinen gehören zur Einheitlichkeit. Wenn du dich beim Aufräumen immer gleich bewegst (z. B. Drop-Box links, Archiv rechts), entsteht eine Art Muskelgedächtnis. Das spart Zeit, weil du automatisch richtig handelst.
Einheitlichkeit bedeutet also nicht Langeweile, sondern Reibungsfreiheit im Alltag – du brauchst weniger Energie, um das System zu nutzen.
4. Skalierbarkeit
Ein gutes Ordnungssystem ist lebendig – es wächst mit dir mit. Dein Alltag verändert sich, Hobbys kommen und gehen, Arbeitsweisen wandeln sich. Daher sollte dein System so gebaut sein, dass du es stufenweise verfeinern kannst, ohne alles neu denken zu müssen.
Beispiel:
- Stufe 1: Backen
- Stufe 2: Backen → Dekorieren
- Stufe 3: Backen → Dekorieren → Figuren und Streusel
Die Kunst liegt darin, Begriffe und Kategorien so zu wählen, dass sie flexibel bleiben. Wenn du einen neuen Bereich hinzufügst, sollte er sich natürlich einfügen, nicht das ganze System umwerfen.
Tipps:
- Nutze aktivätsbezogene Begriffe (z. B. „Servieren“ statt „Besteck“)
- Fange lieber grob an – Feingliederung kann später folgen
- Teste regelmäßig, ob dein System mit dir „mitwächst“
Ein skalierbares System kostet in der Pflege kaum Aufwand, weil du es ständig leicht optimierst – anstatt es alle paar Jahre komplett neu zu machen.
5. Bewusstes Aufbewahren
Zum Schluss: Ordnung bedeutet nicht, alles zu behalten, sondern bewusst zu entscheiden, was Platz verdient.
Frage dich bei jedem Gegenstand:
- Finde ich ihn wieder, wenn ich ihn brauche? – Wenn nicht, ist Aufbewahren sinnlos.
- Wie leicht kann ich ihn ersetzen? – Dinge, die günstig und leicht verfügbar sind, müssen keinen dauerhaften Platz blockieren.
Beispiel: Durckerpapier bekomme ich überall. - Wie hoch sind Lagerkosten? – Große Gegenstände kosten oft unbemerkt Raum und Geld.
Beispiel: Selbst ein kleiner Druckerkarton kostet schnell 5–10 € pro Jahr an Platzkosten, das ist selten sinnvoll. - Wie stark ist der Wertverlust? – Viele Dinge verlieren mit der Zeit an Wert oder werden technisch überholt.
Beispiel: LED-Leuchtmittel werden jährlich effizienter – Vorratshaltung lohnt kaum, oder Tintenpatronen altern und werden unbrauchbar.
Bewusstes Aufbewahren bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Verfügbarkeit und Kosten zu finden. Du sollst dich nicht von allem trennen, sondern verstehen, warum du etwas behältst. Jedes Stück, das du aufbewahrst, sollte einen klaren Nutzen oder Wert haben.
Ausblick
Fast jeder entwickelt im Laufe seines Lebens Strukturen, die erstaunlich ähnlich sind – nur auf individuelle Weise und meist mit viel Aufwand.
Ich arbeite derzeit an einem modularen Ordnungssystem, das genau diesen Prozess unterstützt, Bewährtes formalisiert und dokumentiert: einfache Neuordnung, Anpassung und Erweiterung – ohne Chaos, ohne Neuanfang.Wenn dich das Thema interessiert, folge mir auf YouTube oder besuche meine Webseite, um mehr über das Projekt zu erfahren.
